Cancel Culture Questions, Part 1
I did about 25 events and media appearances about Cancel Culture in Germany -- here are some questions I was asked...
[I am very sorry for the slowness of these newsletters — the last few weeks were unusually intense (I believe I was on something like 50 trains since May 8, and I didn’t spend more than 3 days in any one place during all that time). But luckily new updates should be coming out at a pretty fast clip now. Partly that’s because I have just so many notes, ideas and impressions saved up from a really intense and gratifying trip to Germany, Austria and Switzerland. This first post is intended as a collection of responses to questions I was asked — in one way or another — again and again at various events. Please note: English version is appended below.]
Ich habe in den letzten sechs Wochen im Radio, auf Bühnen, an Unis – und beim Abendessen nach Radio, Bühne und Uni – über Cancel Culture, Diskursverengungen und US Campusse diskutiert. Ich habe die Gespräche generell sehr genossen. Fast immer gab es ein paar kritische Nachfragen, manchmal auch einigermaßen indignierte. Ich kann mich nicht in jedem Fall an die Antwort erinnern, die ich gegeben habe, aber ich kann mich an die besten Fragen erinnern, die mir gestellt wurden. Vor allem aber fiel mir auf, dass einige (und manche sehr gute) Fragen immer wieder gestellt wurden. Ich habe deswegen eine Art FAQ zusammengestellt: Antworten auf die interessantesten Fragen, die mir gestellt wurden – nicht unbedingt die Antworten, die ich im Eifer des Gefechts gegeben habe, sondern jene , die ich gerne gegeben hätte. (Ich möchte mich bei Theresa Rosinger-Zifko and Thomas Zimmer bedanken, die die Antworten für mich durchgesehen hat.)
Frage: Ich kann verstehen, wenn Sie sagen, dass es einem Cancel-Opfer wie J.K. Rowling nicht besonders viel ausmacht, wenn irgendwelche Menschen im Internet ihre Werke nicht mehr konsumieren. Aber verlieren wir aufgrund der prominenten Fälle nicht vielleicht ganz durchschnittliche Fälle aus den Augen, von Zeitgenossen, die durch ihre Cancellation ungleich stärker bedroht sind?
Antwort: Eine Dunkelziffer dürfte es geben, aber angesichts des medialen Heißhungers nach Anekdoten (egal, ob sie nun mit Prominenten zu tun haben, oder nicht), ist es einigermaßen unwahrscheinlich, dass sie besonders groß ist. Es ist nämlich nicht wahr, dass sich die “großen” Cancel Fälle nur an “Prominenten” festmachen – für jede berühmte Persönlichkeit, die von sich sagt, sie sei “gecancelt” worden, gibt es zehn, deren Namen man außerhalb ihrer professionellen Bubble überhaupt nur aufgrund ihrer “Cancellation” kennt. Die Rede vom “Canceln” vermag es Menschen äußerst prominent zu machen – ja, es ist für eine Person, die Widerrede oder harsche Kritik im Job erfahren hat, geradezu von Vorteil, die Vorgänge proaktiv mit dem Label “Cancellation” zu belegen — selbst wenn die Dinge eigentlich ganz anders gelagert sind, und insbesondere natürlich wenn es genuine Unschärfen gibt. Es gibt z.B. an US Universitäten viele Fälle, die seit Jahren in der Öffentlichkeit als Cancel-Fälle firmieren, bei denen aber ziemlich klar ist, dass es sich eigentlich um disziplinarrechtliche Strafen wegen sexueller Belästigung handelt. Egal ob prominent oder nicht: wenn heute eine Person sagt, sie sei “gecancelt” worden, dann erhält sie tendenziell eher Aufmerksamkeit und einen gewissen medialen Vertrauensvorschuss. Nicht unbedingt in dem Sinn, dass wir der betreffenden Person alles glauben, aber doch in dem Sinn, dass wir bereit sind, ihren Fall als mögliches Indiz für eine gefährliche gesellschaftliche Verschiebung zu behandeln. Das ist nichts Geringes.
Frage: Aber ist die eigentliche Gefahr nicht, dass andere, ganz normale Zeitgenoss:innen aufgrund dessen, was, sagen wir, prominenten Professor:innen passiert, sich selbst zensieren und dadurch eine neue Schweigespirale befördert wird?
Ich kann die Angst vor Trickle Down-Effekten verstehen. Aber ich halte sie aus drei Gründen für wenig stichhaltig: Erstens eben den, dass Prominente (anders als bei #MeToo) nicht wirklich die Hauptfiguren der Erregung über Cancel Culture sind. Klar, die Menschen sind häufig etabliert in ihrem Beruf (Lehrstuhlinhaber, Redakteur:innen usw.), aber wirklich prominent – in dem Sinne, dass sie auch ohne die Cancel-Story in der Zeitung stünden – sind sie eigentlich nicht. Das heißt: eigentlich geht es bei der Angst vor Cancel Culture bereits um uns alle (zumindest insofern wir eine bestimmte professionelle Fallhöhe haben) — wir sind nicht etwa der sekundäre Abglanz J.K. Rowlings.
Zweitens orientiert sich die Angst ohnehin nicht nur an realen Begebenheiten. Ich höre sehr häufig von Menschen, die Angst haben, aufgrund der Tatsache, dass sie nicht gendern, abgestraft zu werden. Wer aber nach belegbaren Vorfällen dieser Art sucht, findet sie schlicht nicht. Das bedeutet für mich: die Angst sucht sich ihre Objekte, und wenn diese Objekte nicht passen werden sie passend gemacht. Da ist es schwer für mich zu sagen: “wenn es endlich kein Cancelling mehr gäbe, dann würden sich die Leute nicht so gegängelt vorkommen.”
Drittens handelt es sich etwa bei Demissionen usw. den meisten Cancel-Listen zufolge um ungefähr ein Dutzend Vorfälle pro Jahr. Da es ja auch um intitutionelle Ermessensspielräume und so weiter geht (d. h. ein Arbeitgeber kann oder darf gar nicht sagen, warum er jemanden entlassen hat), stellt sich die Frage: Wenn man der Angst komplett vorbeugen möchte, wie bringt man diese Zahl auf Null? Die einzige Antwort lautet normalerweise: man greift gesetzlich ein, erlässt Strafen usw. – wie das ja jetzt in Florida und in UK passiert. Und das geht in der Regel einher mit großen Einschnitten in die Freiheit Anderer.
“Ein Fall ist einer zu viel” ist ein schönes Prinzip, aber gerade wenn es um Institutionen wie Universitäten geht, in die die Außenwelt nur einen bedingten Einblick hat: Was müsste man fordern, was müßte man tun, damit es überhaupt nicht zu Fällen käme, in denen zumindest eine Partei (entweder Arbeitgeber oder Professor:in) sagen könnte, “das hier ist wegen meiner freien Meinungsäußerung geschehen”? Entweder müßte die öffentliche Dokumentation vonseiten des Arbeitgebers absolut lückenlos und transparent sein (und würde die Privatsphäre des/der Geschassten eklatant verletzen). Oder aber die Universität müßte sich so stark zurückhalten, dass gewissen Bedienstete unantastbar würden, egal, was sie tun. Eine Universität ist allerdings vom Civil Rights Act und seinen Ergänzungstiteln auch verpflichtet, sexuelle Belästigung oder Diskriminierung aufgrund von “protected categories” von Untergebenen zu unterbinden. Die Welt, in der tatsächlich keine solchen Fälle vorkommen, wäre eine, in der sich die Universitäten in bestimmten Fällen selber strafbar machten.
Frage: Wenn man sich die Warnungen vor “Cancel Culture” nur als Diskurs anschaut, beantwortet man die größere Frage nicht: Ist die Sorge nicht doch eine Reaktion, wenngleich auch eine Überreaktion, auf linken Unsinn? Wenn die Linke nicht so unerbittlich wäre, wenn die Linke nicht ständig den Diskurs vor sich hertriebe, hätte dann nicht vielleicht die Gegenseite kein ganz so leichtes Spiel?
Antwort: Die Vorstellung, dass am Backlash eigentlich jene Schuld sind, die zwar hehre Ziele verfolgen aber zu sehr Druck machen und zu schnell auf Veränderungen pochen, ist ein klassischer Aspekt von Backlash-Politik. Sie soll (1) progressive Verschiebungen ausbremsen, sie soll (2) konservativen Beharren auf dem Status Quo legitimieren und sie soll (3) das Hauptaugenmerk von der Zielsetzung eines Protests, und ob diese legitim ist, verschieben auf das Wie des Protests — das, egal wie es aussieht (kleben! ziviler Ungehorsam!) immer falsch ist.
Ich würde folgendes Gedankenspiel vorschlagen: Sagen wir, morgen würde das Gendern in Deutschland verboten, alle würden sich einigen, wieder das N-Wort zu sagen, “kulturelle Aneignung” würde aus dem Vokabular gestrichen, und Winnetou würde Sternchenthema im Abi. Denken Sie ernsthaft, dass am nächsten Tag dann eitel Sonnenschein herrscht, dass die Erregungswellen abklingen und keine seltsamen Kulturkampfthemen mehr durch die Medien geistern? Oder denken Sie, dass sich an diesem nächsten Tag stattdessen jene Medien und Politiker, die sich auf solche Erregungen spezialisiert haben, sich einfach ein neues Thema suchen werden, und dieses in endlosen Artikeln verwursten würden? Wenn Sie Ersteres für wahrscheinlich halten, würde ich Sie bitten, mir Ihre Kontonummer und Pin zukommen zu lassen.
Nein, wir wissen alle, dass diese Themen einigermaßen anlassunabhängig durch die Medien wandern. Das nicht zuzugestehen, ist nicht bloß naiv. Es ist mutwillige Selbsttäuschung. Wir alle wissen, was Wahlkampf ist. Wir alle wissen, was Sommerloch bedeutet. Wir wissen alle, dass die Lenkung unserer Aufmerksamkeit zur Medienwelt dazugehört wie das Amen in der Kirche. Wir wissen, dass, was uns in den Medien erreicht und was nicht, davon abhängt, was die Medien als Nachricht wahrnehmen und was nicht, wie die Medien ihre Ressourcen einsetzen, wo sie Akzente setzen, usw. Dass wir bereit sind, auf diese Tatsache zu reflektieren, wenn es um COVID-19 und den Ukrainekrieg geht (oder wann immer wir uns über “Bubbles” Sorgen machen), aber nicht wenn uns mysteriöserweise eine seltsam eindeutige Nachricht aus einem amerikanischen College erreicht, von dem wir bis dato noch nie etwas gehört haben: Diese Tatsache zeigt im Grunde genommen, dass hier ein Willen vorliegt, Unmittelbarkeit zuzugestehen, wenn die Nachrichten vermittelter kaum sein könnten.
Frage: Ist es nicht möglicherweise kontraproduktiv, einen Diskurs vor allem deshalb zu kritisieren, weil er vorwiegend aus Anekdoten besteht? Wenn ein Artikel in Deutschland, sagen wir, einen anschwellenden Antisemitismus belegen wollte, würde er wahrscheinlich nach Anekdoten greifen. Und die Behauptung, dass es sich dabei angeblich um “Einzelfälle” handele, sie wäre uns zutiefst (und zurecht) unangenehm.
Antwort: Es ist wichtig zu sagen, dass nicht die Anekdote das Problem ist, sondern wie mit ihr verfahren wird. Ich würde auf keinen Fall verteidigen, was in vielen der berühmten Fällen passiert ist. Bei nochmals anderen weiß ich einfach nicht genug, um ein Urteil abgeben zu können. Aber die Anekdoten kommen eben nicht als bloße Anekdoten daher, sondern als vorverurteiltes Narrativ: Wir wissen immer schon, was sie bedeuten. Das fängt schon damit an, wer in den Anekdoten zu Wort kommt: Jemand sagt “ich bin gecancelt worden” und dann druckt die Zeitung genau dessen Darstellung ab. Es gibt gemeinhin keinen Versuch, bei der Gegenseite, bei der betroffenen Institution, usw. nachzuhaken, Gegendarstellungen einzuholen. Und dennoch erscheint so ein Text dann in der Zeitung.
Jeder Mensch hat ein Anrecht darauf, dass seine/ihre eigene Geschichte gehört wird, ob sie sich unter dominante Narrative nun einordnet oder ihnen widerspricht. Aber es gibt kein Anrecht auf die politische Verwendung von holzschnittartigen Darstellungen der Realität. Es gibt kein Anrecht darauf, Anekdoten als eigentlich literarische Form (eine bestimmte Art Geschichte) zu konsumieren und dann ohne weitere Nachforschungen so zu tun, als handele es sich um Beweismittel für ein Problem. Um zu dem spezifischen Beispiel zurückzukommen: Wir vermitteln ja sogar in Fällen, in denen ein Fall schon zu viel wäre (Antisemitismus, Rassismus, sexualisierte Gewalt) zwischen dem individuellen Fall und dem Universellen (also einer Statistik, die aussagt, wie häufig etwas passiert, ob die Zahl zugenommen oder abgenommen hat, usw.). Es gibt einen sehr guten Grund, uns moralisch um jeden Fall von Antisemitismus in Deutschland Sorgen zu machen. Jeder antisemitische Vorfall ist einer zu viel. Aber es stimmt auch, dass wir uns besonders um sie Sorgen machen sollten (und wohl mehr über sie reden), weil die Zahl solcher Fälle statistisch hoch ist und steigt.
Bei Cancel-Texten, gerade in Deutschland, wird gerne so etwas gesagt wie: “Jede Woche gibt es neue Cancel-Fälle” – womit eigentlich gemeint ist: “Jede Woche erreichen mich neue Anekdoten.” Das ist wohlgemerkt nicht dasselbe: Bei Anekdoten passt man häufig nicht auf, wann sie passiert sind. Es kann gut sein, dass einem die Hintergründe fehlen, und es kann eben sein, dass jemand bewusst (aus welchen Gründen auch immer) viele dieser Stories lanciert und dass andere bewusst (aus welchen Gründen auch immer) diese abdrucken und weitergeben.
Sagen wir, ich erzähle, dass eine Freundin von mir am Hauptbahnhof die Brieftasche geklaut worden ist und ich schließe dann im Gespräch mit Ihnen aus dieser Tatsache, dass die Kriminalität immer schlimmer wird. Da würde man wissen wollen: Ist die Zahl tatsächlich nach oben geschnellt, oder hat meine Freundin einfach Pech gehabt? (Das ändert wohlgemerkt nichts daran, dass meiner Freundin der Diebstahl so oder so unangenehm war.) Nehmen wir nun in einem weiteren Schritt an, dass Sie feststellen müssten, dass der von mir beschriebene Diebstahl schon 2018 passiert ist. Sie würden mich fragen, warum ich diese Anekdote jetzt heute wieder anführe und ob das nicht ein Stück weit die Realität bewusst verzerrt.
Frage: Dass sich Diskurse verändern, dass gewisse Dinge früher akzeptiert waren und heute weniger, ist ja ganz normal. Aber die Gefahr, wenn alles plötzlich moralisiert wird, ist doch, dass ganz normale Menschen, gerade auch bildungsferne, nicht mitgenommen werden und sich dann vor den Kopf gestoßen fühlen, weil sie nicht gendern oder weil sie nicht “amerikanische Ureinwohner” sagen.
Antwort: Das kann natürlich sein, allerdings gibt es einen Umstand, der mich bei der Forschung an meinem Buch überrascht hat, und der dieser Sicht eher widerspricht: Die Angst vor “Cancel Culture” scheint vor allem bei den “Bildungsnahen” (wenn es das Wort gibt) verortet zu sein – bei Umfragen in den USA waren die Faktoren, die darüber entschieden, ob eine Person schon einmal von “Cancel Culture” gehört hatte, z.B. die Folgenden: Erstens, die Person ist jünger, zweitens, die Person hat das College besucht, drittens, die Person ist im Internet unterwegs. Das schließt nicht aus, dass mit der Zeit solche Vorstellungen und Fragen auch größere Segmente der Gesellschaft erreichen. Und es könnte sein, dass das in Deutschland noch einmal anders aussieht.
Dennoch: (1) die Themen auf die sich die “Cancel Culture”-Debatte im deutschsprachigen Raum konzentriert hat – wer darf Amanda Gorman übersetzen? – scheinen für Kulturschaffende wie gemacht; (2) die Fixierung auf die Universität (Stichwort “Wissenschaftsfreiheit”) spricht ja auch dafür, dass es sich um einen Diskurs des Bildungsbürgertums handelt; (3) die Debatte ist in Printmedien, und innerhalb derer insbesondere in den ambitionierten Printmedien, vertreten – insbesondere im Feuilleton; (4) auch die Lokalisierung der Debatte auf/durch Twitter ist bezeichnend, denn mehr noch als in den USA bildet Twitter in Deutschland die breite Öffentlichkeit keineswegs ab, sondern ist viel mehr Szenetreff für Journalist:innen und Kulturschaffende.
Die Angst, dass sich wegen woker Linker, die Michael Ende canceln, Baggerfahrer nach rechtsaußen orientieren könnten, halte ich für eine Projektion. Denn sehr viel wahrscheinlicher ist die Gefahr, dass sich mit dem “Cancel Culture”-Narrativ ein konservativer Gymnasiallehrer der AfD öffnet.
ENGLISH VERSION
Over the last six weeks I have been traveling Germany, discussing worries about cancel culture, about a supposed narrowing of discourses and about US campuses – on the radio, on stages, at universities and at dinner after radio, stage and university events. I really enjoyed the conversations in general. There were almost always a few critical questions, sometimes somewhat indignant ones. I can't remember the answer I gave in each and every case, but I can remember the best questions I was asked. Most importantly, I noticed that some (and some very good) questions kept coming up. So I've put together an FAQ of sorts: Answers to the most interesting questions I've been asked - not necessarily the answers I gave in the heat of the moment, but the ones I would have liked to have given give. (I would like to thank Theresa Rosinger-Zifko and Thomas Zimmer for looking over the answers for me.)
Question: I understand when you say that a Cancel victim like J.K. Rowling isn’t hurt very much if people on the internet stop consuming their work. But aren’t we perhaps too focused on prominent cases, perhaps losing sight of average cases, of contemporaries who are much more threatened by their cancellation?
Answer: There may be a certain number of similar cases affecting less prominent individuals, but given the media's craving for anecdotes (whether the supposed cancel-victim is well-known or not), it's unlikely to be very large. It's also simply not true that the "big" Cancel cases only have to do with "celebrities" — for every well-known comedian, author, professor or the like who says they've been "cancelled," there are ten whose names are only known outside of their professional bubble because of their cancellation. Talking about "cancellation" can make people extremely prominent - yes, it is downright beneficial for a person who has experienced backlash or harsh criticism at work to proactively label what they have experienced as "cancellation". There are many cases at US universities that have been publicly discussed as cancel cases for years, but which, once you look beyond paragraph 1, are very likely actually disciplinary cases often having to do with sexual harassment. Regardless of whether they are prominent or not: if a person says they have been “cancelled” today, they tend to receive more attention and almost immediate advance trust.
Question: But isn't the real danger that other, completely normal participants in public discourse self-censor because of what happens to very securely employed academics, thereby promoting a new spiral of silence?
Answer: I can understand why one might be afraid of trickle down effects. But I don’t think that worry is persuasive, for three reasons: Firstly simply because celebrities (unlike #MeToo) aren't really the protagonists of the worry about cancel culture. Sure, people are often established in their profession (tenured professors, editors, etc.), but they aren’t really celebrity – in the sense that they would appear in the newspaper even without the cancel-story. These stories are already stories “about us” — no need for a trickle-down.
Secondly, the fear functions independent of the actual factual basis of anecdotes. Over the last six weeks, I was frequently told about people in Germany who are afraid of being punished for not “gendering” – a new-ish lexical practice in German by which one inserts a colon or an asterisk in the middle of a word to indicate gender inclusivity. A lot of people hate that practice, and a lot of people participate in it. And they are convinced they are liable to experience negative outcomes from it. But once you go looking for verifiable incidents of actual negative outcomes, you simply won't find them.
Third, there are about a dozen incidents a year of, say, firings at US universities. Since a lot of those incidents are also about institutional discretion (i.e. an employer may not say why they let someone go), the question arises: If fear attaches even to super-rare cases and you want to completely prevent fear, how do you reduce this number to zero? And that usually means: you intervene by law, issue penalties, etc. - as is happening now in Florida and in the UK. And that usually goes hand in hand with major limitations in the freedom of others.
“One case is one too many” is a nice principle when it comes to dismissals, but especially when it comes to institutions that the outside world only has limited insight into: what would one have to demand to prevent such cases from occurring at all? Let's take a case where a professor actually loses his job. He says it's because he used the "N-word" in class; the university says he repeatedly violated rules on sexual harassment. Or, more likely, the university says nothing at all. If we really took the professor at his word, treated it as a cancel case, and then set the number of cancel cases to zero, that would be tantamount to the professor being entirely immune from consequences – at least if he can make himself a plausible candidate as a cancel victim. Moreover: Let’s say the professor’s version of events were correct: the professor could quite clearly lodge an appeal against his former employer. However, a university is also required by Title IX of the Civil Rights Act to prevent sexual harassment of subordinates. The world in which no such cases occur would be one in which the universities would make themselves legally liable (to say nothing of morally complicit).
Question: You look at the warnings about “cancel culture” just as a discourse, and therefore you don't answer the bigger question: Isn't the concern about “cancel culture” a reaction, albeit perhaps an overreaction, to very real and very judgmental left-wing nonsense? If the left weren't so relentless, if the left wasn't constantly driving the discourse before it, would the other side perhaps not have such an easy time of stoking panic about the left?
Answer: The idea that a backlash is actually the fault of those who, while pursuing the right goals, apply too much pressure and insist on change too quickly is in fact a central aspect of backlash politics. It is intended to (1) thwart progressive shifts, it is intended to (2) legitimize conservative insistence on the status quo, and it is intended to (3) shift the focus from the purpose of a protest (and whether that purpose is legitimate), to the how of the protest—which, no matter what it looks like (gluing yourself to a painting! civil disobedience!) always happens to be wrong.
I would suggest the following thought experiment: let's say tomorrow “gendering” would be banned in Germany, everyone would agree to say the N-word again, "cultural appropriation" would be removed from the vocabulary, and every high schooler had to read about Winnetou in school. Do you seriously think that the next day it would all be sunshine and lollipops, that the moral panics would subside and that the media would no longer be dominated by weird culture war stories? Or do you think that, rather, the next day those very media and politicians who specialize in stoking culture war issues would simply find a new topic and thematize it in endless articles? If you honestly think the former is more likely, I would like to ask you to send me your bank account number and pin.
We all know that these topics circulate through the media regardless of the occasion. Not admitting that is not just naïve. It's willful self-deception. We all know what a political campaign is. We all know that there is a summer slump in journalism and politics that has to be filled with easy-to-digest bullshit. We all know that media of course make it their business to direct our attention. We know that what reaches us in the media and what doesn't, depends on what the media perceives as news and what it does not. It depends on how the media allocates its resources, where it places emphasis, etc. That we are ready to reflect on this fact to reflect when it comes to COVID-19 and the Ukraine war (or whenever we worry about “bubbles”), but not when we mysteriously receive a story about an American college we've never heard of before now : Basically, this fact shows that there is a will to grant immediacy of import and impact to news when the news could not be more mediated if it tried.
Question: Isn't it possibly counterproductive to criticize a discourse mainly because it consists mainly of anecdotes? In Germany, if an article wanted to document, say, rising anti-Semitism, it would probably resort to anecdotes. And the response that these are allegedly "isolated cases" would be deeply (and rightly) uncomfortable for us.
Answer: It is important to say that it is not the anecdote that is the problem, but how it is dealt with. There is no way I would be defending what happened in many of the famous cases. In still others I simply don't know enough to judge. But the anecdotes don't come along as mere anecdotes, but as a prejudged narrative: we always already know what they supposedly mean. It starts with who has a say in the anecdotes: someone says “I've been canceled” and then the newspaper prints exactly their account. There is generally no attempt to follow up with the other side, the institution concerned, etc., to obtain counter-statements. And yet such a text then appears in the newspaper.
Everyone has the right to have their own story heard, whether it fits into dominant narratives or contradicts them. But there is no right to the political use of woodcut-like representations of reality. There is no right to consume anecdotes as a strictly literary form (a certain kind of story) and then, without further investigation or reflection, pretend that they are evidence of a problem. To come back to the specific example: We even mediate in cases where one case would manifestly be too many (anti-Semitism, racism, sexualized violence) between the individual case and the universal (i.e. a statistic that says how often something happens, whether the number has increased or decreased, etc.). There is a very good reason to morally care about every case of anti-Semitism in Germany, but it is also true that we care about them differently (and arguably talk about them more) because the number of such cases is statistically high and rising.
With cancel culture-texts, especially in Germany, people like to say something like: “Every week there are new Cancel cases” — by which they actually mean: “Every week I am told new anecdotes”. That's not the same, and it’s potentially dangerous to pretend otherwise. With anecdotes, you often don't pay attention to when the events happened. It may well be that one is missing important background, and it may well be that someone consciously (for whatever reason) circulates these stories and that others consciously (for whatever reason) print them and pass them on. When a crime story goes out of its way to point out that an offender was part of some marginalized group, you sense that the anecdote may well be true, but that its mode of remediation (why you happened to hear about it) is nevertheless questionable.
Let's suppose that I tell you that a friend of mine had her wallet stolen at the local train station and then, in speaking with you, I conclude from this fact that crime is getting worse and worse. You would want to know: Has the number of purse-snatching actually gone up, or was my friend just unlucky? (Mind you, that doesn't change the fact that what my friend experienced was awful one way or another.) Now let's assume in a further step that you later realized that the theft I had been describing happened back in 2018. You would ask me – and rightfully so – why I'm citing this anecdote today and whether citing it doesn't deliberately distort reality to some extent.
Question: It is quite normal that our terms, our vocabulary, our discursive rules change, that certain words and expressions used to be accepted and are less so today. But the danger when vocabulary choice is so suddenly moralized is that normal people, especially those with little education, are not taken along and then feel alienated because they don't “gender” or because they don't say "Native Americans".
Answer: That can of course be the case, but there is one fact, which somewhat surprised me when I was researching my book and which I think firmly contradicts this view: The fear of "cancel culture" seems to be particularly common among those who care about culture, read literature, have received tertiary education. In surveys in the US, the predictors that determined whether a person had heard of “cancel culture” were e.g. the following: first, the person was young(ish), second, the person went to college , third, the person spent considerable amounts of time on the internet. Of course, this does not mean that ideas and fears cannot originate with one group of people and later reach larger segments of society over time. And it could be that things look different in Germany.
Nonetheless: (1) the issues on which the “Cancel Culture” debate in German-speaking countries has focused — What should be taught for the Abitur? Who may translate Amanda Gorman? — seem tailor-made for people who care about the arts, education, etc.; (2) the fixation on the university (“cancel culture” is almost always discussed in German-speaking media as an assault on “academic freedom”) also suggests that this is a discourse of the educated middle class; (3) the debate is largely dominated by print media, and within print media in particular in large, ambitious dailies with extensive culture pages — its target audience are the German equivalent of New Yorker-readers, not the German equivalent of USA Today-readers. Germany’s extensive yellow press has largely given the topic a wide berth. (4) The localization of the debate on/via Twitter is also significant, because Twitter in Germany reflects the general public even less than in the US, but is rather the watering hole for journalists and cultural workers.
I think the fear that coal miners could turn to the right because of woke lefties who cancel people over not saying “Native American” is a projection. Because the danger is probably a very different one: that a conservative high school teacher will open up to the populist AfD thanks to the “Cancel Culture” narrative.